Was ist eigentlich agile Führung?
Aus unserer Sicht ist agile Führung eine Haltung, bei der sich die Führungskraft als «Servant Leader» versteht. Sie sieht sich als Dienstleister der Mitarbeitenden, die Rahmenbedingungen schafft, damit diese ihr Potential optimal entfalten und in enger Zusammenarbeit mit anderen ihre Aufgaben erfüllen können.
Was einfach klingt ist, ist viel Arbeit, denn kein Mensch ist wie der andere. Die dienende Führungskraft kann ihre Rolle nur erfüllen, wenn sie in der Lage ist, die Unterschiede schnell und zuverlässig zu erkennen. Sie kann dann die passenden Umfeldbedingungen schaffen, unter denen jeder einzelne Mitarbeitende die definierten Teamziele oder die Ziele der Organisationseinheit bestmöglich erreichen kann.
Wie lässt sich der agile Führungsanspruch in der Praxis umsetzen?
Das Erkennen unterschiedlicher menschlicher Facetten erfordert nicht nur Fingerspitzengefühl, sondern vor allem, dass die Führungskraft bereit ist, sich selbst zu hinterfragen: welche Eigenschaften prägen sie selbst, wie kommuniziert sie, wie wirkt sie auf die Mitglieder im Team?
Die erste und auch die wichtigste Aufgabe der Führungsrolle ist es, bei sich selbst zu beginnen. Das ist keine Einmalinvestition, sondern verlangt jeden Tag aufs Neue zu reflektieren. Damit sind die Selbstreflektion sowie auch die erlebten Situationen gemeint. Denn für eine Führungskraft entscheidend ist, dass sie erkennt, welche Sichtweisen und Hypothesen durch ihre eigene Wahrnehmung entstehen. Wenn sie sich ihres eigenen Wahrnehmungsfilters bewusst ist, kann sie Situationen klarer einschätzen und zu besseren Entscheidungen gelangen.
«ID37»-Persönlichkeitsanalyse
«Erkenne dich selbst», ist eine einfache Weisheit, die angeblich bereits auf das Orakel von Delphi zurückgeht. Dabei helfen wissenschaftliche Persönlichkeitsanalysen. Sie ermitteln, wer man ist, was einen mit anderen verbindet oder von anderen unterscheidet.
Eine solches Tool ist beispielsweise die motivbasierte Persönlichkeitsanalyse «ID37», die wir im Führungskräfte-Coaching einsetzen. Anders als andere Instrumente geht sie über eine reine Verhaltensbeschreibung hinaus.
In Form eines einfach verständlichen Persönlichkeitsprofils ermittelt die Analyse etwas Essenzielles und dauerhaft Aussagekräftigs: Was treibt einen Menschen an und warum?
Die Erkenntnis darüber, was mir selbst wichtig ist öffnet die Türe, um zu verstehen, wo andere Menschen anders sind. Es hilft zu verhindern, die eigene Erwartungshaltung ungefiltert auf andere zu projizieren. Denn das führt in der Regel zu Missverständnissen, zu Konflikten oder dazu, dass Unterstützung ohne Wirkung verpufft.
Führungskräfte hingegen, die unterscheiden können, was sie selbst brauchen und was andere brauchen, um erfolgreich zu sein, können auf den Punkt unterstützen und dafür sorgen, dass Aufgaben schneller und mit weniger Missverständnissen ans Ziel gebracht und erfüllt werden. Tools wie das «ID37» sparen viel Zeit und Energie, wenn es darum geht, den Einzelnen zu verstehen, richtig anzusprechen und passgenau zu unterstützen.
Berücksichtigung des Individuums
Ein Beispiel aus unserer praktischen Arbeit: Bei einer Führungskraft haben wir mit der «ID37»-Persönlichkeitsanalyse ermittelt, dass ihr Struktur im Leben sehr wichtig ist.
Dieser Person ist klar geworden, dass sie diesbezüglich extrem ist und entsprechend hohe Erwartungen an die Mitarbeitenden hat. Ihr wurde deutlich, dass anderen Struktur weniger wichtig oder vielleicht überhaupt nicht wichtig ist und sie konnte Kommentare wie «Lass doch mal fünf gerade sein, wir kommen sonst nicht weiter» neu bewerten. Statt gereizt zu reagieren, weiss sie heute, welches Persönlichkeitsprofil hinter solch einer Aussage steckt.
Die Erkenntnis der eigenen Persönlichkeit hilft ihr, sich selbst zu regulieren und andere zu respektieren. Gerade in einer Vorbildfunktion als Führungskraft steht man im «Schaufenster» für Mitarbeiter, für Vorgesetzte und oft auch bei Kunden. Analysiert eine Führungskraft nicht nur die eigene Persönlichkeit, sondern führt Teamanalysen durch, so ist das besonders spannend, da die Teamanalyse unterschiedliche Persönlichkeiten und Facetten einer Gruppe aufdeckt. Das bringt eine Klarheit ins Team, wo bereits vage Stimmungen und Gefühle vorherrschen. Meine bisherige Erfahrung in der Arbeit mit «ID37» in Teams zeigt, dass die Toleranz bei den Teammitglieder wächst, wenn eine Teamanalyse durchgeführt wurde und wir offen mit den Erkenntnissen gearbeitet haben.
Der Vorteil ist offensichtlich. Jeder weiss um die «blinden Flecken» – die eigenen und die der anderen – und kann bewusster damit umgehen. Man gewinnt nicht nur eine gemeinsame Basis für das Zwischenmenschliche, sondern auch eine gemeinsame Sprache. Das reduziert unnötige Reibungsverluste auf eine eindrückliche Weise.
Fazit
Agiles Arbeiten beruht auf den drei wichtigen Säulen Transparenz, Inspektion und Adaption: Genau inspizieren was passiert und das weitere Vorgehen darauf aufbauend adaptieren, um schnell zu lernen und beweglich zu bleiben. Voraussetzung dafür ist Transparenz. Wenn Unternehmen dies bei ihrer Arbeit anwenden, wie könnte man denn nur diese Punkte bei den Menschen vernachlässigen?
Die drei Prinzipien lassen sich wunderbar für Führungskräfte anwenden: «ID37» verschafft vor allem Klarheit. Auf Basis des eigenen Persönlichkeitsprofils kann die Führungskraft reflektieren, ihr Verhalten abgleichen und daran arbeiten, sich situativ und flexibel anzupassen. Diese Art der Führungskräfteentwicklung kommt der Führungskraft und den Mitarbeitenden entgegen und liefert einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zur agilen Organisation.
AGILITÄT
Das Konzept der Agilität gibt es bereits seit den 1950er-Jahren in der Systemtheorie von Organisationen. Dabei kann stellvertretend auf den amerikanischen Soziologen Talcott Parson verwiesen werden, der vier Funktionen identifiziert hat, die jedes System erfüllen muss, um seine Existenz zu erhalten. Er beschreibt die Fähigkeit eines Systems, auf die sich verändernden äusseren Bedingungen zu reagieren (Adaption), Ziele zu definieren und zu verfolgen (Goal Attainment), Kohäsion Zusammenhalt und Inklusion (Einschluss) herzustellen und abzusichern (Integration) und grundlegende Strukturen und Wertemuster aufrechtzuerhalten (Latency). Aus den Anfangsbuchstaben dieser vier Funktionen ergibt sich das bekannte AGIL-Schema.
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